Ausstellung „East, West, Bucharest“: Fotografien einer Stadt
Studierende der Studienrichtung Fotografie und Bildmedien der Hochschule Bielefeld zeigen in einer Ausstellung ihre Sichtweise auf die rumänische Hauptstadt Bukarest.
Bielefeld (hsbi). Zehn Tage waren Studierende des Fachbereichs Gestaltung der Hochschule Bielefeld (HSBI) unterwegs in Bukarest, der Hauptstadt Rumäniens. Ihre Spurensuche führte die 14 angehenden Fotograf:innen aus dem Seminar von Prof. Roman Bezjak entlang historischer Fassaden, vom Zentrum in die Peripherie, hinter die Kulissen der Ceausescu Ära und in die unterschiedlichen Communities der Stadt. Entstanden ist eine vielschichtige Ausstellung aus unterschiedlichen fotografischen Positionen, die ein Bild der rumänischen Hauptstadt zeichnet, welche stets oszilliert zwischen Ost und West. Besondere Inspirationen waren die facettenreiche Historie, die sich in der städtischen Architektur widerspiegelt, und die Offenheit der Bewohnerinnen und Bewohner. Ihre Arbeiten zeigen die Studierenden in der Ausstellung „East, West, Bucharest“ in der Galerie des Fachbereichs Gestaltung an der Lampingstraße 3 bis zum 22. Dezember und vom 8. bis zum 11. Januar 2024, jeweils montags bis freitags, von 8 bis 18 Uhr
Austausch zwischen Bielefeld und Bukarest
Im Dialog mit dem rumänischen Fotografen Dani Gherca, Mitbegründer der Produzentengalerie SwitchLab, und Michele Bressan, Professor für Fotografie an der Nationalen Universität der Künste Bukarest, entstand im Rahmen der Ausstellung „East, West, Bucharest“ die Idee eines Austausches: Absolvent:innen der Nationalen Universität der Künste Bukarest zeigen ihre Abschlussarbeiten vom 13. Juni bis 4. Juli in der Ausstellung „Going on“ am Fachbereich Gestaltung, im Gegenzug stellen die HSBI-Studierenden ihre Werke vom 24. Juli bis zum 28. August in der Ausstellung „Return to sender“ in der Galerie SwitchLab in Bukarest aus.
Ein Überblick über die entstandenen Arbeiten:
Jonas Glanz - „κάλλος - kallos“: Jonas Glanz dokumentiert die Calisthenics-Szene im Parcul Tineretului. Calisthenics ist eine Form des Eigengewichtstrainings, bei der der Körper als Widerstand gebraucht wird, ohne die Verwendung von spezieller Ausrüstung. Er zeigt den Alltag und die Trainingsroutinen der Athleten im Park.
Helen Lüth - „Cişnele“: In der Serie „Cişnele“ hat Fotografie-Studentin Helen Lüth mit Frauen ihrer Generation in Bukarest zusammengearbeitet und sie im „Cişmigiui“-Park porträtiert. Der Park – als grüner Fleck in der grauen Stadt, als Ort der Konzentration, losgelöst von der Großstadt Bukarest – diente als Freilichtstudio. Im Kontrast dazu stehen die Stadtansichten, die alltägliche, urbane Qualität der Stadt, die der Wohn- und Lebensraum der Frauen ist.
Vincent Hölscher - „UNDERDOG“: Helping Animals Rumania (HAR) wurde 2010 von Grigoreta und ihrem Mann Julian gegründet. Der Mitarbeiter Chajan ist einer von drei Männern aus Sri Lanka, die auf dem Hof leben und arbeiten. Er arbeitet in einer von zwei Hallen, wo er sich um die Hunde und Zwinger kümmert. Raluca ist hauptsächlich in der Krankenstation tätig. Neben der Arbeit auf dem Hof studiert sie Medizin in Bukarest. Das Tierheim dient vor allem zur Erstaufnahme von ausgesetzten Hunden oder Katzen. Der Hof wird auch Island of Hope genannt.
Alparslan Öztürk - „Building Contrast“: Die Stadtlandschaft Bukarests ist reich an historischen Gebäuden. Besonders der Stadtkern ist geprägt von der Gründerzeitarchitektur der 1870er bis 1910er Jahre, kombiniert mit Ceausescus radikaler Neugestaltung der Innenstadt im französischen Stil. Diese sowieso ohnehin kontrastreiche Innenstadt prallt heutzutage direkt auf Investorenarchitektur der letzten Jahrzehnte. Glasfassaden inmitten einer historischen Altstadt: Durch Überlagerungen der unterschiedlichen Ebenen entstehen kontrastierte Bilder, deren architektonischen Gegensätzlichkeit zur bildlichen Einheit werden.
Josephine Kowalewsky - „Adriana“: In Bukarest war Josephine Kowalewsky auf der Suche nach gleichgesinnten jungen Menschen, die ihr Einblicke in ihr Leben und Alltag geben wollen. Sie stieß dabei auf die junge Künstlerin Adriana Preda, die vom ersten Augenblick wie eine Freundin war. Gemeinsam verbrachten die beiden Frauen Zeit in ihrem Atelier, mit ihren Freunden und in Bars und Galerien. Kowalewskys Arbeiten handeln von Adrianas Leben in Bukarest, ihrem Kennenlernen und der Frage nach einer globalisierten Jugend.
Stephanie Schüttler - „Chaotic Buildings“: Bragadiru, zwölf Kilometer südwestlich von Bukarest gelegen, ist eine typische Vorstadtsiedlung. Sie besteht aus einem älteren Kern, Fabriken und Feldern. 2005 bekam der Vorort das Stadtrecht, worauf eine anhaltende Bautätigkeit einsetzte, die keiner Stadtplanung folgt, sondern den Bedingungen des Marktes mit all seinen nicht am Gemeinwesen orientierten Einzelinteressen. Stephanie Schüttlers Fotografien folgen einem heterogenen, bisweilen chaotischen Stadtbild.
Ragna Arndt-Maric - „My Bucharest Family“: Eine zufällige Begegnung in einem Schnellimbiss in Bukarest führt Ragna Arndt-Marić zu einer Familie, die der rumänische Zweig ihrer Verwandtschaft sein könnte. Die verbleibenden Tage ihres Aufenthalts sind von dem intensiven Austausch mit der neunköpfigen Familie geprägt, den Arndt-Maric in „My Bucharest Family“ fotografisch festhält.
Louisa Klose - „DCNB= 21,8*π“: Louisa Klose hält in ihrer Fotoserie das Äußere von Bukarest fest. Die Umrundung der gesamten Ringstraße, mit dem Fokus auf die Peripherie der Randgebiete, eröffnet eine neue Perspektive auf die Stadt. Der Uber-Fahrer Marius mit seinem schwarzen Škoda Octavia entwickelte sich zum Protagonisten der Serie. Er verkörpert einen einheimischen Bukarester, der Geschichten und Eindrücke über die rumänische Kultur und die Hauptstadt Bukarest teilt.
Finn Brücher - „The Last Stalinist“: In Finn Brüchers Arbeiten geht es um den „Titan der Titanen“: Nicolae Ceaușescu herrschte als Generalsekretär der Rumänischen Kommunistischen Partei und Staatspräsident von 1965 bis 1989 im kommunistischen Rumänien. Bereits früh distanzierte sich Ceaușescu vom Führungsanspruch der Sowjetunion, was ihm Sympathie und Anerkennung im Westen einbrachte. Seine anfängliche Popularität in der eigenen Bevölkerung mehr und mehr den Repressalien des aufkommenden Personenkults nordkoreanischer Prägung. Das „Genie der Karpaten“ und „Conducător“ regierte zunehmend diktatorisch. Opposition, Presse und Gesellschaft wurden von dem berüchtigten Geheimdienst Securitate kontrolliert und unterdrückt. Das stalinistische Regime endete schließlich 1989 mit der rumänischen Revolution. Brüchers befasst sich in seinen Fotografien mit den Orten und Hinterlassenschaften des Diktators.
Steffen Niers - „Eigengrau“: Steffen Niers beschäftigt sich bei seinen Fotografien mit den bröckelnden und vernachlässigten Gebäuden im unmittelbaren Stadtzentrum von Bukarest. Hier verwildern viele alte Bauwerke sämtlicher Architekturstile und Bauepochen. Gründe für den Verfall sind Folgen von Korruption und mangelndes öffentlichen Interesse.
Alexandra Luermann - „Arta iubirii (Die Kunst des Liebens): Bei Fotografie-Studentin Alexandra Luermann begannalles mit der Frage ihrer Großmutter: "Warum hast du Haare an deinen Beinen, aber nicht auf deinem Kopf?". Ihre Antwort lautete: „Weil ich gesellschaftliche Normen ablehne.“ In der ländlichen Gegend ihrer Großmutter trifft man selten offen queere Menschen wie Luermann. In Bukarest ist das anders. Luermanns Ziel war es, mit Bildern einen Raum für die queeren Menschen zu schaffen, die sie in Bukarest getroffen hat.
Lia S. Laukant - „Bucharest Endometriosis Center“: 1/10 heißt das Master-Projekt von Lia Sophie Laukant über die weithin unbekannte und unbehandelte Krankheit Endometriose. Der Weg zur Diagnose sei in den meisten Fällen für Betroffene lang, schwer und demütigend. Es fehle an Aufklärung und Wissen in Schulen, Praxen, Gesellschaft und Politik. Das Bucharest Endometriosis Center ist eine von wenigen Kliniken, die zu Endometriose forscht.
Lina Dannemann - „Mireca cel Batran“: Die Arbeit „Mircea cel Batran“ von Lina Dannemann beschäftigt sich mit der Atmosphäre der alltäglichen Routine der Marine in Constanca in Bukarest. Es ist eine Beobachtung aus der Ferne, in der sowohl die Bildung als auch das physische Arbeiten im Vordergrund stehen.
Mika Springer - „Bausteine autoritärer Regime“: Mika Springer arbeitet bei seinen Fotografienarchitektonische Gesten verschiedener rumänischer Autokratien (Königreich, faschistische Militärdiktatur, Sozialistische Republik) heraus und setzt sie in einen kollektiven Kontext. Die Installation aus Mauersteinen wird zu einem Sinnbild der Diktaturen. Neben den fotografischen Ansichten der Gebäude beleuchtet Springer auch ihre Materialität und deren Zerfall.
Einen Einblick in die Arbeiten gibt es in der Bildergalerie!