Kunst als Gabe – Wechselseitigkeit und Austausch in Theater, Kunst, Performance

Theater, Performance, Gabenökonomie, Kunst als Gabe, Commons, Reziprozität

Fachhochschule Bielefeld
Fachbereich Sozialwesen
Interaktion 1
33619 Bielefeld


Projektbeteiligung
Stiftung Philosophie zur Zeit, Prof. Una Moehrke: Burg Giebichenstein. Kunsthochschule Halle, Theaterwerkstatt Bethel, Fh Diakonie Bethel, Michael Chekhov Training Europe

Laufzeit
2010 - 2017

Projektförderung
Phase I (2010-2012):
Kulturstaatsminister; BAG- Spiel und Theater; FH Bielefeld; Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend; Goetheinstitut; Ev. Akademie Villigst u.a.

Phase II: (2013-2017)
Stiftung Philosophie

Kurzbeschreibung
Auf dem Hintergrund umfassender gesellschaftlicher Ökonomisierungsprozesse, die auch auf Bildung, Kunst und Kultur übergreifen, und die Künste zunehmend mit kultur- und sozialpolitischen Aufträgen versehen, wird das paradoxe Verhältnis künstlerischer Praxis zwischen Autonomie und gesellschaftlicher Bindung unter Bezug auf die kulturtheoretische und philosophische Diskussion um den Begriff der Gabe und der Gabenökonomie untersucht. Unter dieser Perspektive gewinnen diese Konzepte für Kunst und künstlerische Praxis eine dreifache Bedeutung:

  • Mit Bezug auf das Gabetheorem rückt das Verhältnis von Kunst und Gesellschaft als ein wechselseitiges in den Blick,
  •  mit ihm werden die Motive und Antriebe künstlerischen Schaffens sowie
  •  der besondere Charakter künstlerischer Werke zwischen normalen Gebrauchsobjekten und dem Alltag enthobenen Phänomenen beschreibbar
  • mit ihm wird ein anderes Selbstverständnis künstlerischer Praxis und ihres Werts formulierbar als es den kulturwirtschaftlich (und bildungs-, und sozialpolitisch) dominierten Perspektiven entspricht.

Das Projekt beinhaltet einen kulturtheoretischen Teil sowie verschiedene Teilprojekte, die spezifische Fragestellungen aus der Theaterpraxis, Schauspielmethodik und bildenden Kunst behandeln.

Phase I.
Teilprojekt a) Internationales Symposium und Publikation "Konzepte der Gabe in der Gegenwartskunst. Theater Kunst. Performance. (2010 im Zentrum für interdisziplinäre Forschung Bielefeld, ZiF) abgeschlossen.

Die Künste sind auf dem Weg in die Wirklichkeit. Vermittels Partizipation und Intervention besetzen sie zunehmend soziale Felder und geben den Eigenwert ästhetischer Praxis zugunsten sozialer Funktionsbestimmungen frei. Veranstaltung und Publikation erschließen Konzepte der Gabe und des Gabentauschs für den kunsttheoretischen Diskurs der Gegenwart. Untersucht wird, inwieweit sich der aus ethnologischer, philosophischer und sozialwissenschaftlicher Perspektive entfaltete Begriff der Gabe (Mauss, Godelier, Derrida u.a.) als tragfähig erweist, das Selbstverständnis aktueller künstlerischer Praxis im Spannungsfeld von Autonomieanspruch und sozialer Wirksamkeit zu reflektieren und ethisch zu akzentuieren. Im Fokus der interdisziplinären Forschung stehen zunächst Theaterkunst, Performance und bildende Kunst in ihren Entgrenzungen und Überschneidungen. Künstlerische Präsentationen, praxisbezogene Workshops und Aufführungen sind integraler Bestandteil von Veranstaltung und Publikation.

Phase II.
Teilprojekt b): Inklusives Theater - Das Prinzip der Gabe in der künstlerischen Praxis der Theaterwerkstatt Bethel.

Projektbeteiligung: Theaterwerkstatt Bethel, Fachhochschule der Diakonie Bethel

Vor dem Hintergrund, dass die gängigen Konzepte der Inklusion entweder eng kompetenzorientiert oder im Sinne der amerikanischen Ursprünge des Begriffs sozialwissenschaftlich weit gefasst auf die ganze Gesellschaft in ihrem Verhältnis zu Diversität und bürgerschaftlichem Engagement bezogen sind, wird die sozialphilosophische Konzeption des Gabetheorems für die Untersuchung der inklusiven Praxis der Theaterwerkstatt Bethel in ihren unterschiedlichen künstlerischen Formaten in Anwendung gebracht.

Der Fokus liegt dabei auf dem Spannungsfeld zwischen Freiwilligkeit und sozialer Verpflichtung, das für die spezifische Arbeit mit heterogenen Gruppen zentral ist. Entsprechend der Zielsetzung im Sinne von Theorie- und Praxisentwicklung kommen sowohl phänomenologische Verfahren wie Methoden der Handlungsforschung unter Beteiligung der Akteure im Feld zum Einsatz.

Teilprojekt c): Wechselseitigkeit und Austausch - Das Prinzip der Gabe im Schauspieltraining nach Mihail Chekhov

Projektbeteiligung: Michael Chekhov Europe Training

Prozesse des Gebens und Nehmens sind für die Schauspielmethode von Michael Chekhov konstitutiv. Dabei sind unsichtbare, d.h. den bekannten Instrumenten der empirischen Forschung kaum zugängliche, Wahrnehmungs- und Gestaltungsvorgänge wirksam, die vermittels des Gabetheorems und verwandter Theorien (wie die der Responsivität Waldenfels') untersucht werden sollen. Es kommen Methoden der Aktionsforschung, Performative Research und Introspektion zur Anwendung, um die Austauschprozesse zwischen Spielern im Probenprozess und des weiteren Resonanzen und Reziprozität zwischen Schauspieler und Publikum (Communion with the Audience) detailliert darzustellen. Ziel ist eine Phänomenologie der schauspielerischen Darstellung, die Austausch, Wechselseitigkeit und Sozialität in den Blick nimmt.

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