Vertrauen und Sympathie schaffender lebendiger sozialer Roboter (VIVA)

Datenschutz, Selbstbestimmung, Haftung, Informationelles Selbstbestimmungsrecht, Allgemeines Persönlichkeitsrecht, Lizenz, Datensicherheit, Roboter

Fachhochschule Bielefeld
Fachbereich Wirtschaft 
Interaktion 1
33619 Bielefeld

Projektbeteiligung
Universität Bielefeld (CITEC), navel robotics GmbH München, Universität Augsburg, Neuland Multimedia GmbH Augsburg, Visions4IT GmbH Gauting

Laufzeit
01.08.2018 bis 31.12.2021

Projektförderung 

BMBF


    
Kurzbeschreibung
Das übergeordnete Projektziel ist die Entwicklung eines vertrauenswürdigen, lebendigen sozialen Roboters, der von Nutzern im privaten Umfeld als attraktive Bereicherung empfunden wird und der sie im persönlichen emotionalen Wohlbefinden unterstützt. Hierfür müssen bei Nutzern Vertrauen, Akzeptanz, Attraktivität und Sympathie erzeugt sowie diesbezügliche ELSI-Aspekte identifiziert, untersucht und erörtert werden. Die Koordination des Verbundprojekts liegt bei Dr. Claude Toussaint, navel robotica GmbH, München.
Die FH Bielefeld übernimmt die Koordination der ELSI-Begleitforschung und führt diese gemeinsam mit der Universität Bielefeld unter Beteiligung der Verbundpartner durch. Insbesondere ist die FH Bielefeld für die juristischen Implikationen der ELSI-Begleitforschung zuständig.

  • Zu den rechtswissenschaftlichen Fragestellungen gehören Aspekte des Persönlichkeits- und Datenschutzrechts (u.a. informationelles Selbstbestimmungsrecht, Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme, Begutachtung datenschutzrechtlicher Aspekte, u.a. nach der Europäischen Datenschutzgrundverordnung (DSGVO), Checkliste „Privacy by Design“), ferner Datensicherheit und haftungsrechtliche Risiken und vertragsrechtliche Lösungen.
  • Ethische Fragen betreffen die Fürsorge vs. Bevormundung durch assistive Technologien, Autonomie vs. Abhängigkeit, Selbstbestimmung vs. Manipulation; sie werden durch zwei MEESTAR-Workshops ermittelt und projektbezogen analysiert.
  • Die sozialen Aspekte werden innerhalb der ELSI-Forschung von der Universität Bielefeld durchgeführt, u.a. begleitende Nutzereinbindung und Nutzerstudien und Analyse, welche Produktfaktoren Akzeptanz, Vertrauen und Sympathie fördern.

Der Roboter VIVA soll nicht nur die Menschen in Alltagssituationen coachen und darüber hinaus das Sozialleben unterstützen; er soll auch in seinem Interaktionsverhalten so gestaltet werden, dass Menschen ihn im privaten und persönlichen Kontext als attraktive Bereicherung empfinden. Die Mensch-Roboter-Interaktion bedarf einer Sympathie- und Vertrauensbasis, die über den Begriff der funktionellen Verlässlichkeit hinausgeht und auch die kognitive und emotionale Ebene einschließt (Werte- und Bedürfnis-Ebene). Soziale Resonanz bedeutet ein kontinuierliches Widerspiegeln von Aufmerksamkeit, Blickkontakt, Emotionen, Motiven, Absichten und kognitiven Inhalten.

Um diese Ziele zu erreichen, sind über die datenschutzrechtlichen Fragestellungen hinaus insbesondere auch Aspekte des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts und der Menschenwürde zu untersuchen. Die juristische Begleitforschung gliedert sich in drei Teilbereiche:

  1. Persönlichkeits- und Datenschutzrecht:
    Erfüllt die Technikgestaltung des Roboters die Anforderungen der Europäischen Datenschutzgrundverordnung (DSGVO), d.h. wird den Grundsätzen des Datenschutzes durch Technik („data protection by Design“) und durch datenschutzfreundliche Voreinstellungen („data protection by default“) Genüge getan? Werden personenbezogene Daten rechtmäßig und transparent verarbeitet? Wurde der Grundsatz von „Treu und Glauben“ beachtet? Wird der Zweckbindungsgrundsatz erfüllt? Wie kann dem Grundsatz der Datenminimierung genügt und die Datenverarbeitung auf das notwendige Maß beschränkt werden? Auf welche Weise können betroffene Personen eine unverzügliche Datenlöschung erreichen, wenn sich personenbezogene Daten als unrichtig erweisen? Wie wird die Speicherbegrenzung sichergestellt? Durch welche technischen und organisatorischen Maßnahmen wird der Grundsatz der Vertraulichkeit und Integrität gewahrt (Art. 5 Abs. 1 lit. a bis f DSGVO). Im ersten Arbeitspaket der juristischen Begleitforschung erfolgt eine Ermittlung, Analyse und Dokumentation der persönlichkeitsrechtlichen und datenschutzrechtlichen Aspekte des Roboters VIVA mit dem Schwerpunkt auf das informationelle Selbstbestimmungsrecht (Art. 1, 2 GG).
  2. Datensicherheit und Haftungsrecht: Das zweite Arbeitspaket der juristischen Begleitforschung umfasst die Identifikation, Systematisierung und Begutachtung haftungsrechtlicher Risiken, u.a. im Bürgerlichen Recht, im Datenschutz- und ggf. auch im Telemedien- und Telekommunikationsrecht auf der Basis verschiedener Geschäftsmodelle mit dem Ziel, eine Checkliste für die rechtlichen Anforderungen an “Privacy by Default” zu erstellen.
    Die Projektpartner reflektieren Compliance-Aspekte nicht nur aus allgemeiner datenschutzrechtlicher Perspektive; vielmehr sind die bereichsbezogenen Regelungen – z.B. die Privatheit der Telekommunikation – bei der Mensch-Maschine-Kommunikation zu berücksichtigen. Hier ist der Frage nachzugehen, welche vertraglichen und außervertraglichen Haftungstatbestände sich aus der Entwicklung des Roboters unter Zugrundelegung verschiedener Geschäftsmodelle ergeben könnten und wie diese Risiken zu vermeiden oder zu reduzieren sind. Wenn eine Form der Datenverarbeitung, insbesondere bei Verwendung neuer Technologien, aufgrund der Art, des Umfangs, der Umstände und der Zweck der Verarbeitung voraussichtlich ein hohes Risiko für die persönlichen Rechte und Freiheiten zur Folge hat, ist gem. Art. 35 DSGVO eine Datenschutz-Folgenabschätzung durchzuführen. Eine den Anforderungen der DSGVO entsprechende Datenschutz-Folgenabschätzung sollte auch für das Projekt VIVA durchgeführt werden, weil der Einsatz in der Wohnung (Einpersonenhaushalt) und damit im privaten Rückzugsgebiet des Menschen vorgesehen ist.
  3. Vertragsrechtliche Lösungen: In diesem Teil der juristischen Begleitforschung werden vertragsrechtliche Fragen ermittelt, analysiert und dokumentiert und Lösungsansätze entwickelt. Der praktische Einsatz des Roboters wird voraussichtlich auf vertraglicher Grundlage erfolgten, z.B. durch einen Kauf-, Miet- oder Leasingvertrag. In Abhängigkeit von dem jeweiligen Geschäftsmodell könnte auch eine soziale Einrichtung den Roboter bestimmten Personen zur Nutzung zur Verfügung stellen. Die Nutzung der Informationstechnologie für den VIVA-Roboter erfordert eine dauerhafte Verfügbarkeit aktueller Software zur Nutzung auf funktionsfähiger Hardware. Zudem erfordern die Pflege der Software und die Wartung der Hardware umfangreiche vertragliche Vereinbarungen in Form von Dauerschuldverhältnissen. Diese haben sich zu neuen Formen verändert und werden heute unter dem weiten Begriff der „Service Level Agreements (SLA)“ zusammengefasst. Für das Projekt VIVA kann die juristische Begleitforschung über die vertragsrechtliche Analyse hinaus insbesondere Checklisten zu den datenschutzrechtlichen Pflichten Verantwortlicher entwerfen, ferner Nutzungsbedingungen u.a., welche einen Interessenausgleich zwischen den Vertragspartnern schaffen und insbesondere die datenschutzrechtliche Situation transparent machen, z.B. durch Datenschutzerklärungen.

Zum Projektablauf untersucht die FH Bielefeld gewerbliche Schutzrechte zur Verwertung der Projektergebnisse. Ziel ist die Identifizierung und Einordnung der Arbeitsergebnisse in das System der Schutzrechtsverwertung, z.B. durch Lizenzierung (Patente, Gebrauchsmuster, Design, Urheberrechte). Es werden Geschäfts- und Lizenzmodelle für die konkreten Projektergebnisse einschließlich möglicher Haftungsrisiken ermittelt.   mehr

zur Projektseite des BMBF