Internationale Konferenz zum digitalen Wandel von Wirtschaft und Industrie an der FH Bielefeld.
Bielefeld (fhb). Für die meisten bedeute die Digitalisierung nur die intensivere Nutzung von „Apps“ auf dem Smartphone zum Erledigen von alltäglichen Dingen. Doch das sei viel zu kurz gegriffen: „Die Digitalisierung wird zu radikalen Veränderungen in der Wertschöpfungskette der Unternehmen führen, deren Abläufe und Prozesse grundlegend ändern und neue Anforderungen an die Qualifikation der Mitarbeiter stellen“, meint Prof. Dr. Rainer Lenz, Finanzexperte am Fachbereich Wirtschaft und Gesundheit der Fachhochschule (FH) Bielefeld. Er hatte eingeladen zur internationalen Konferenz „Digital Transformation of Corporate Business“, rund 150 Interessierte waren am 15. November in den Konferenzsaal der FH auf den Campus Nord gekommen.
Die Digitalisierung ist nicht nur prominentes Thema der Ingenieure, Stichwort beispielsweise Industrie 4.0. Digitalisierung betrifft auch die Wirtschaftswissenschaftler, sowohl in der Berufswelt als auch bei der Ausbildung des akademischen Nachwuchses.
Für Lenz steht fest, dass die Digitalisierung auch eine Veränderung der Lehre zur Folge hat. „Die Betriebswirtschaftler am Fachbereich müssen wir künftig anders ausbilden. Deshalb arbeiten wir an einem neuen Studiengang in Kooperation mit den TU Brünn aus der Tschechischen Republik und der Universität Tartu aus Estland.“ Lenz weiter: „Wir werden interdisziplinärer in Teams arbeiten müssen. Digitale Plattformen entstehen und die jungen Leute leben gerne in dieser Welt. Das kann auch den Lehrenden Spaß machen.“ Er sieht die interkulturelle Zusammenarbeit weiter wachsen. Virtuelle Teams weltweit müssten sich auch persönlich kennenlernen können. Lenz: „Es geht darum, soziale Kompetenzen zu schulen.“
Optimistisch geschätzt könnte der neue Studiengang zum Wintersemester 2017 starten, „oder ein Jahr später“, so Lenz auf der Pressekonferenz zur Tagung. Doch der Teufel liege im Detail, gemeint sind hiermit die einzelnen Module, die entwickelt werden und ineinander greifen müssen.
Unverzichtbar sei hierbei, die Unternehmerseite zu hören und zu wissen, welche Qualifikationen erwartet werden. „Wir müssen uns der Herausforderung stellen, dass sich der Internetverkehr verdreifacht hat“, meint etwa Axel Clauberg von der Deutschen Telecom AG. Es bestehe die Gefahr, dass führende Unternehmen der Branchen kaputt gehen, weil sie die Chancen, die in der Digitalisierung liegen, nicht erkennen würden.
Andreas Ahmann von der Ceyoniq Technology GmbH ergänzt: „Die Arbeit wird sich künftig grundlegend verändern. Es gilt das ‚Prinzip Amöbe‘, jeder Mitarbeiter soll größtmögliche Freiheit haben, um selbst entscheiden zu können und kreativ zu sein. Jede kleine Einheit im Unternehmen ist lebensfähig, wovon die große Einheit profitiert.“ Ahmann gibt zu bedenken, dass die Verdrängungsmechanismen im Zeitalter der Digitalisierung funktionieren: „Der kleine Bäcker von nebenan kann übers Internet mit guten Ideen die Großbäckerei vom Markt verdrängen.“
„Wir müssen Transparenz schaffen, um Akzeptanz zu bekommen, indem wir kommunizieren, was verändert werden soll“, so Carsten Keller von Diebold Nixdorf. „Wir wünschen uns Menschen mit Herzblut, die über den Tellerrand hinausschauen“. Es gebe kontinuierliche Veränderungen in der digitalen Welt und „das Rad dreht sich immer schneller“. Keller: „Der einzelne muss mehr Verantwortung übernehmen. Gesucht werden Personen, die im Unternehmen die Funktion ‚Leadership mit Visionen‘ ausfüllen.“ So genannte Smart Creatives müssten sich in den Unternehmen entfalten können.
In Estland sei die digitale Transformation bereits weit fortgeschritten. „95 Prozent der Esten führen bereits heute ihre Steuererklärung online in fünf Minuten durch“, fügt Karin Salowski, FH-Kooperationspartnerin von der Universität Tartu, schmunzelnd an. Da staunt der deutsche Steuerzahler.