Pflanzen machen Geräusche, man muss halt nur genau hinhören. Das hat Alina Heuer in ihrer Bachelorarbeit getan mithilfe von technischem Spezialequipment – und das Gehörte auch noch sichtbar gemacht. Entstanden ist eine künstlerische Installation, in deren Zentrum Töne und Bewegungen des Wassers stehen. Jüngst wurde die Arbeit auf der Werkschau des Fachbereichs Gestaltung der Hochschule Bielefeld vorgestellt. Das Werk besitzt das Potenzial, noch an vielen weiteren Orten gezeigt zu werden, findet Betreuer Marcus Wildelau.In ihrer Bachelorarbeit visualisiert Heuer pflanzengenerierte Sounds und gibt so den scheinbar rätselhaften Mechanismen der Natur eine Bühne.
Bielefeld (hsbi). Blumen betören die Umwelt mit ihrem Duft. Bäume warnen einander mit Botenstoffen nahezu in Echtzeit vor einfallenden Schädlingen. Durch Alina Heuers Installation schaffen es manche Pflanzen nun sogar, Geräusche und Formen zu erzeugen, die wir mit Augen und Ohren wahrnehmen und die uns faszinieren können. Die jedes Semester stattfindende Werkschau des Fachbereichs Gestaltung der Hochschule Bielefeld (HSBI) bringt immer wieder besonders gelungene künstlerische Abschlussarbeiten hervor. Für den Lehrbeauftragten Marcus Wildelau ist „Verwurzelte Frequenzen” eine solche Arbeit. „Alina Heuer hat hier Kunst und Wissenschaft in Gestalt einer Installation neu zusammengebracht“, so Wildelau, der die Bachelorarbeit in der Studienrichtung Digital Media and Experiment (DMX) gemeinsam mit Prof. Dr. Edith Kollath betreut hat.
Allgegenwart des Wassers in Stoffkreisläufen wird zu einer Klang- und Rauminstallation
Alina Heuer hat den Bachelorstudiengang Gestaltung mit der
Studienrichtung Digital Media and Experiment an der HSBI abgeschlossen.
Alina Heuer macht extrem leise oder nicht ohne weiteres hörbare Geräusche, die in Pflanzen durch Photosynthese und Saftfluss oder auch durch Wassermangel entstehen, mittels komplexer Audiotechnik hörbar und sichtbar. Das geschieht, indem sie Wasser in einem dunklen Becken mittels bestimmter Frequenzen aus den Aufnahmen anregt und dadurch Muster und Wellen in Echtzeit auf der Wasseroberfläche generiert. „Diese Arbeit ist als interdisziplinäre Klang- und Rauminstallation bei uns am Fachbereich Gestaltung entstanden“, erzählt Wildelau. „Die Studierende hat sich inspirieren lassen von der Erforschung menschlicher Wahrnehmung und ihrer Grenzen. Impulse aus Naturwissenschaft, Naturästhetik und Kunst sind eingeflossen.“
Durch die Abschlussarbeit der Gestaltungsstudierenden Alina Heuer lässt sich die Natur wie ein Kunstwerk betrachten.
Es ist außerdem die faszinierende Allgegenwart des Wassers, vor allem in pflanzlichen Stoffkreisläufen, die den Werkschau-Besucher:innen in dieser Arbeit begegnete. Wildelau: „Pflanzen werden durch die Hörbarmachung sub- und suprasensorischer Reize in neuer Form für den Menschen erlebbar. Wasser erscheint in unterschiedlicher Gestalt als Taktgeber und Medium, korrespondiert als Wellen und Tropfen wiederum mit Klangimpulsen und bildet sich quasi selbst performativ geordnet und chaotisch zugleich ab.“ Der Lehrbeauftragte findet, dass die Verbindungen und Beziehungen zwischen Menschen und nichtmenschlichen Lebewesen ethisch, künstlerisch und wissenschaftlich im Zuge der ökosozialen Transformation zurzeit neu verhandelt werden: „Hier stellt Alina Heuers Arbeit konstruktiv den klassischen Mensch-Natur-Dualismus in Frage, indem sie pflanzengenerierte Sounds visualisiert und den scheinbar rätselhaften Mechanismen der Natur, der – wie Immanuel Kant sagte ,Technik der Natur‘ – eine Bühne gibt.“
Das Wasser wird mittels bestimmter Tonfrequenzen angeregt. So entstehen Muster, Wellen und Tropfen, die für Menschen Unhörbares wahrnehmbar machen.
Zurzeit wird die Installation technisch überholt, denn das Wasser hat so manchem Ventil und mancher Leitung zugesetzt. Angedacht ist, die Arbeit alsbald im „HSBI-Satellit“, der Galerie des Fachbereichs Gestaltung in der Bielefelder Wissenswerkstadt, zu zeigen. Dann würden auch weitere Besucher in den Genuss kommen, Alina Heuers „Verwurzelten Frequenzen“ zu lauschen und zuzuschauen. Oder wie Marcus Wildelau sagt: „Wir lesen hier die Natur als Kunstwerk.“ Oder – für Interessierte womöglich ebenso wichtig – die Reaktion einer Besucherin der Werkschau, aus der es hervorbrach: „Das sieht ja mega aus!“ (lk)