15.07.2003

Ausstellung von Professor Gerd Fleischmann über Hans Grohé

Die Ausstellung "carpe diem! Der Illustrator, Graphiker, Bildhauer, Lehrer und Mensch Hans (Giovanni) Grohé 1913 - 2001" ist im Kabinett des Historischen Museums Bielefeld zusehen.

Er muss eine beeindruckende, beliebte und unvergessliche Persönlichkeit gewesen sein: Hans "Giovanni" Grohé, Illustrator, Grafiker, Bildhauer und von 1965 bis 1980 Lehrender an der früheren Werkkunstschule und am späteren Fachbereich Design der Fachhochschule (FH) Bielefeld. Professor Gerd Fleischmann, dessen beruflicher Weg sich mit dem Grohés an der selben Lehrstätte kreuzte, hat seinem Kollegen eine kleine, aber feine Ausstellung gewidmet. "Die Ausstellung "carpe diem! Der Illustrator, Graphiker, Bildhauer, Lehrer und Mensch Hans (Giovanni) Grohé 1913 - 2001" im Kabinett des Historischen Museums Bielefeld ist zu sehen als eine Verbeugung vor dem Künstler und der Persönlichkeit," so Professor Gerd Fleischmann, Initiator der Ausstellung.
"Ein großer, schlanker, fast hagerer Mann mit feinen Gliedmaßen und fließenden Bewegungen, das Haar schon weiß, ein Mann, der auf mich wie ein Relikt aus einer anderen Zeit wirkte in seinem weißen, hinten mit wenigen Knöpfen geschlossenen Malerkittel." Sehr präsent hat Regina van Laak-Bérenger ihren Lehrer Hans Grohé in Erinnerung, als "Typ zerstreuter Professor", der eher traditionell, vorne sitzend, wie in einer Schulklasse, unterrichtete und seinen Vortrag stets gestenreich untermalte. "Herr Professor" oder "Professor Grohé" wurde er von seinen Studentinnen und Studenten stets respektvoll genannt, unabhängig von der Studentenbewegung und den seinerzeit eigentlich längst gelockerten Konventionen. Von morgens bis nachmittags hätten die jungen Leute im Grundstudium im Pflichtfach "Zeichnerische Darstellung" den Bleistift in der Hand gehalten und in einem fort gezeichnet. So lehrte er seine hochmotivierten Eleven das Sehen lernen und Formen erfassen: anhand der Wiedergabe einfacher Gegenstände auf dem Blatt Papier wie zum Beispiel Streichholzschachteln, Schuhe, Gabeln.

Ein vielseitig begabter Mensch

Johannes Konrad Maria Grohé, der sich später Giovanni Grohé nannte, war ein Kosmopolit und vielseitig begabter und interessierter Mensch. Geboren am 18. August 1913 in Mannheim, liegen die Ursprünge seiner Familie in Frankreich und Nordspanien. Bis zum Krieg studierte er - nach einem dreijährigen Volontariat im Atelier des Holzbildhauers Franz Spiegelhalter in Freiburg - an der Kunstakademie Karlsruhe Bildhauerei und Wandmalerei als Meisterschüler bei dem Bildhauer Professor Otto Schließler. Dann folgte ein sechsjähriger Kriegsdienst: der junge Mann wurde als Soldat in Zivil in die Tschechoslowakei, nach Flandern, Nordfrankreich, Serbien und Russland geschickt mit dem offiziellen Auftrag, Illustrationen über das zivile Leben in den besetzten Gebieten zu fertigen. Er lernt unter anderem Russisch, um besser mit den Menschen kommunizieren zu können. In Straßburg lernt er Margarete "Ete" Hilker kennen und lieben, 1944 heiratet das Paar in Bielefeld.

1964 bis 1980 Lehrender für Gestaltung
Nach Kriegsende bildhauert, zeichnet und karikiert Grohé, fertigt erste Illustrationsaufträge an, ist in Ausstellungen vertreten. Ab 1951 gibt er Zeichenkurse an der Volkshochschule Bielefeld. Über Arbeiten, die er für Bertelsmann fertigt, landet er in vielen deutschen Haushalten: Sie erscheinen unter anderem in der Sachbuchreihe "Gartenbuch", "Haushaltsbuch", "Handarbeitsbuch" oder "Kochbuch". In den 1960er Jahren baut er im Gemeindesaal der St. Jodokus-Gemeinde einen Treffpunkt für Gastarbeiter aus Südeuropa auf, arbeitet als vereidigter Dolmetscher für Italienisch und Spanisch am Arbeitsgericht. 1964 beginnt er als Lehrer an der damaligen Werkkunstschule Bielefeld (heutige Musik- und Kunstschule), der Vorläuferinstitution des Fachbereiches Design der Fachhochschule Bielefeld, wo er von 1973 bis 1978 als Professor lehrt. Nach weiteren zwei Jahren als Lehrbeauftragter hängt er die Lehrtätigkeit endgültig an den Nagel. Fortan reisen Ete und Giovanni Grohé noch häufiger in ihr 1969 gekauftes Bauernhaus am Folavento in Italien, wo das Ehepaar eine zweite Heimat gefunden hat. Von 1974 bis 1985 organisieren und begleiten die Beiden außerdem zahlreiche Reisegruppen durch die Toskana, Umbrien, Marken und Latium - zumeist abseits der gängigen Touristenpfade Italiens. Am 18. August 2001, an seinem 88. Geburtstag, stirbt Hans Giovanni Grohé in Bielefeld.

Kleine, aber feine Kabinett-Ausstellung
Professor Gerd Fleischmann, der seit 1971 am Fachbereich Design, heute Fachbereich Gestaltung, zunächst am Sparrenberg, dann an der Lampingstraße lehrte, war neun Jahre lang Kollege Grohés. Zur Beendigung seiner Fachhochschullaufbahn zum Ende des Sommersemesters hat der Typograf und Lehrende mit Hilfe von Margarete "Ete" Grohé den künstlerischen Nachlass seines ehemaligen FH-Kollegen gesichtet und eine kleine, aber feine Ausstellung für das Kabinett des Historischen Museums zusammengestellt. Fleischmanns Abschiedsgabe nach 32 Jahren Lehrtätigkeit zeigt "eine sehr persönliche Auswahl" von Büsten, Skulpturen, Skizzen, Zeichnungen und Signets Grohés. Begleitet wird die Präsentation von Arbeiten ehemaliger Grohé-Schülerinnen und -schüler: Anne Flore, Yvonne Kuschel, Gilbert Bender-Meinfelder, Gisbert Lange und Veronika Radulovic.

Umfangreicher künstlerischer Nachlass
"Die Ehrung eines Kollegen durch einen Kollegen, das ist ungewöhnlich in den heutigen Zeiten des Wettbewerbs", betonte Museumsleiterin Cornelia Förster bei der Ausstellungseröffnung. Er bedaure es, Hans "Giovanni" Grohé nicht besser kennen gelernt zu haben, sei aber von der Intensität seiner Arbeiten begeistert, so Fleischmann, sein ehemaliger Kollege habe ein umfangreiches Werk hinterlassen, das es noch zu ordnen gelte. "Er war und ist in dieser Stadt präsent, ohne dass es erkennbar wird, darauf hat er selbst nie geachtet", beschreibt der Ausstellungsinitiator. So sind im Historischen Museum unter anderem Signets wie beispielsweise für den ehemaligen Ratskeller unterhalb des Alten Rathauses (heute Irish Pub) oder das Unternehmen Quakernack zu sehen oder Modelle und Skizzen für einen Brunnen zur Gestaltung des Alten Marktes, die um 1961 entstanden sind. Auch einige Werke für Kirchen oder Schulen hat Grohé geschaffen, so Portalfiguren für die Bielefelder Liebfrauenkirche, Tabernakel, Lesepult und Taufstein für St. Libori, ebenfalls Bielefeld, oder die bronzene Mädchengruppe für die Brodhagenschule sowie die Bronze Wasservögel mit Brunnen für die Gertrud-Bäumer-Schule.

"Jedes Stück soll ein Lebewesen sein"
Die Bronzefiguren sind es auch, die neben Zeichnungen und Skizzen - Wetterszenen, Frauenkörper, Jünglinge, Landschaften, Architekturphantasien - besonders beeindrucken. "Mein Ziel als Plastiker ist dabei nur, die beim ersten Einfall und Entwurf erlebte Freude vor den werdenden Gebilden weiter zu erleben, ein heiter-strenges Spiel, die anfangs manchmal vage Vorstellung soll dabei feste Form, Erdachtes schließlich harte feste Bronze werden. Das kann rasch gehen oder Jahre dauern. Und weitere Jahre kann es dauern, bis die fertigen Modelle auch zum Gießer gehen. Jedes, auch das kleinste Stück, soll ein Lebewesen sein und sein ihm eigenes Gestaltungsgesetz möglichst geglückt erfüllen. Sei es ein freies Formenspiel oder eine Menschen- oder eine Tiergestalt." So wird der Künstler Grohé in dem von Gerd Fleischmann liebevoll gestalteten Buch zur Ausstellung (erschienen im Verlag für Regionalgeschichte, ISBN 3-89534-520-2) zitiert.

Gabe des eidetischen Sehens

Grohé habe immer ohne Modell geformt, heißt es darin weiter. Menschliche Körper, aber auch Tiere, seien ihm durch lange Jahre Beobachtung und das Studium der Anatomie in allen Einzelheiten, Stellungen und Bewegungen vertraut gewesen. Der Figur, dem plastischen Volumen galt seine wahre Liebe, so Professor Fleischmann. Der Mann "mit der Gabe des eidetischen Sehens" habe keine Naturkopien erstellt, sondern nach der vollkommenen Form gestrebt. So sei die Portraitbüste Konrad Adenauers, entstanden 1952 bis 1954, eher ein Sinnbild als ein Abbild geworden, das "den Fuchs" im Politiker erkennen lasse. Bronzegüsse wie der charakterstarke "Frauenkopf auf schlankem Hals" wirken durch weiche, fließende und stilisierende Formen sehr einnehmend. Augenfälligstes Beispiel für das eindrucksvolle bildhauerische Werk Grohés ist die bronzene Taucherin, graziös und dynamisch zugleich, mitten im Kopfsprung eingefangen.

"carpe diem! Der Illustrator, Graphiker, Bildhauer, Lehrer und Mensch Hans (Giovanni) Grohé 1913 - 2001", Historisches Museum Bielefeld, Ravensberger Park 2, 33607 Bielefeld, bis 27. Juli 2003, Mi - Fr 10 - 17, Sa, So 11 - 18 Uhr, www.historisches-museum-bielefeld.de